Reise zur Sonnenfinsternis in die Türkei
Lange war es berechnet und der Ort war auch klar: Die nächste Sonnenfinsternis wird für lange Zeit diejenige sein, die der normale Mitteleuropäer ohne großen Stress erreichen kann - in der Türkei. Nach einem Blick auf die Karte war schnell klar, dass die afrikanischen Wüsten zwar lohnende touristische Ziele sind, aber ich weiß von einer Bekannten, dass in Libyen schlecht einreisen ist. Und Reisestress konnten wir nicht brauchen. So lag es nahe, mal die Türkei zu bereisen, da war ich zumindest noch nicht. Nadja war schon dort und hatte nichts schlechtes zu berichten. Also, Hotel und Flug gebucht und am 24.03.06 war es soweit. Mit unserem Reiseteleskop samt Zubehör versuchten wir, uns wieder mal am Zoll vorbeizuschmuggeln.
Der (Wetter-)Empfang und die Wetterprognose am Flughafen von Antalya waren nicht berauschend: Wolken ohne Ende. Aber der Transport zum Hotel war sehr gut organisiert und es sollte noch ein paar Tage zur Finsternis hin sein. Wir wollten nicht schon am ersten Tag die Pferde scheu machen. Wir hatten ein Hotel nahe Kemer gebucht, das war ein 4*-Laden, der recht ordentlich geführt wurde (Rose Residence Beach). Zimmer alle neu renoviert, zwar etwas klein, aber sehr ordentlich. Ansonsten ist um Kemer herum eine tolle Landschaft, für den Wandertouristen aber leider wenig erschlossen. Dafür setzt man offenbar immer mehr auf russische All-inclusive-Touris, die den ganzen Tag am Pool fläzen, und sich mit diversen Alkoholika die Plauze vollhauen. Gottseidank sind wir davon noch verschont geblieben.
Nachdem wir ein, zwei Mal in Kemer waren, hatten wir für uns beschlossen, auf absehbare Zeit nie wieder in die Türkei zu fahren. Auf Schritt und Tritt wird der Tourist, der mit dem albernen Fressband auch sofort als solcher gebrandmarkt ist, in irgendwelche Läden reingelockt und belästigt. Den Spruch "Habe good Preis, beste von Kemer" konnte ich schon nicht mehr hören. Fotos von unserem Urlaubsort haben wir demzufolge auch nicht gemacht.
Bild oben: Aufbau der Beobachtungstechnik.
Mit den trüben Wetteraussichten wuchs bei uns die Unruhe, die Finsternis hinter Wolken zu erleben. Deshalb buchten wir für 29 Euro pro Person einen kleinen Zusatzausflug in Richtung Berg Manavgat, eine Entscheidung, die wir nicht bereuen sollten. Aus unserem Hotel waren wir die Einzigen, die gegen 07:30 Uhr abgeholt wurden. Der Portier hatte für unsere zahllosen Taschen mit Astrokrempel nur ein mildes Lächeln übrig… Aber dann ging die Fahrt entlang relativ uninteressanter Küste an Antalya vorbei Richtung Side. Unterwegs erzählte unser Reisebegleiter etliches Wissenswerte über die Türkei, hat er sich echte Mühe gegeben. Am Manavgat-Wasserfall war der übliche Tourihalt mit kurz raus, Foto knipsen und wieder rein. Der "tolle" Wasserfall war zwar ziemlich breit, aber nur rund 2m hoch, da sind wir von Reunion anderes gewohnt… Nachdem alle 8 Busse von GTI zusammen waren, ging es weiter ins Taurusgebirge.
Bild oben: Die teilverfinsterte Sonne mit Sonnenflecken.
Der Bus fuhr uns durch atemberaubende Schluchten und an steilen Abhängen immer höher hinauf. Kleine verschlafende Nester mussten wir im Schritttempo durchqueren, weil die Straßen so schmal waren. Das Gebirge war hier tatsächlich gigantisch. Am Beobachtungsort angekommen, stand uns ein kleiner Fußmarsch bevor, der jedoch nicht sehr anstrengend war. Nach fast 500m gelangten wir zu einem Aussichtspunkt mit hervorragender Sicht auf Sonne und Landschaft. Nun musste der Himmel nur noch wolkenfrei bleiben… Nadja und ich haben dann gemeinsam das Teleskop und Fernglas aufgebaut. Nur noch wenige Minuten bis zum ersten Kontakt! Dann war es passiert. Die Finsternis begann. Neben uns hatte ein Astrofreund aus Frankfurt/M. Stellung bezogen und so kamen wir ins Gespräch, natürlich immer wieder den Blick auf die Sonne gerichtet. Es kühlte merklich ab, wir mussten unsere Jacken anziehen. Die Umgebung nahm ein ganz merkwürdiges Licht an, wie ich es nur von Finsternissen kenne. Und dann ging alles ganz schnell: Rapide sank die Helligkeit und dann wurde das schwarze Loch am Himmel von einer herrlichen Korona umgürtet. Ein "ahh" und "ohhh" war überall zu hören. Beim Herumschauen musste ich immer wieder den Fotoapparat bedienen…. bis mir auffiel, dass der Filter noch auf dem Teleskop steckte! Der Himmel selbst hatte nach meinem Eindruck eine ganz tiefblaue Farbe, Venus und ein, zwei helle Sterne entdeckten wir. Links und rechts des Finsterniskanales waren herrliche Dämmerungsfarben zu sehen. Leider konnten wir das alles gar nicht so schnell in uns aufnehmen.
Bild oben: Sonne mit innerer Korona und Protuberanz.
Bild oben: Farbenspiel am Rande des Finsterniskanales.
Nach 3:46 min war alles zu Ende. Es wurde heller und der Mondschatten verschwand hinter dem Taurus. Ein neues, unvergessliches Erlebnis war wieder viel zu schnell vorbei. Leider konnten wir den letzten Kontakt nicht mehr miterleben, da bereits um 15:00 Uhr alle wieder am Bus sein mussten. Auf der Rückfahrt begann sich langsam die Anspannung zu lösen. Die Reise in die Türkei hatte sich damit gelohnt. Und was sollen wir sagen: Der liebe Gott muss Kommunist sein. Am nächsten Tag stellte sich wieder starke Bewölkung mit Regen ein, was für eine Woche…!
Bild oben: Perlschnurerscheinung, verursacht durch Mondberge.
Jörg Fritzsche
Erstellt mit phpCMS und Uli Meybohm's HTML-Editor Phase5.
Zuletzt geändert am: 08.05.2006